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 wuchs um so mehr, je mehr die Zeiten durch die Schweden und durch die polnischen Angelegenheiten getrübt worden waren. Es ging das Gerücht, der Kurprinz reise inkognito im Lande umher, um sich von allen Zuständen desselben genau zu unterrichten, um später desto weisere Maßregeln zur Beglückung desselben zu ergreifen. Von diesem Gerüchte hatte auch der gestrenge Herr Oberfischmeister gehört, und siehe - vor seinen Augen war es bestätigt. Vor ihm stand der Kurprinz, wie er leibte und lebte - denn Elisabeth hatte in der Tat eine, wenn auch nur geringe, Ähnlichkeit mit dem allgemein geliebten Thronerben. -

            Es ist eine bekannte Erfahrung, dass mittelmäßige Geister sich am liebsten den fürstlichen Höfen zudrängen, um dort ein glänzendes Glück zu machen. Zu diesen gehörte auch der Herr von Günther. Er dachte gleich im ersten Augenblicke, die glückliche Erscheinung zu seinen Gunsten auszubeuten, dadurch sein Glück am Hofe zu machen.

            Er nötigte daher den angeblichen blutjungen Schulmeister freundlich in sein Zimmer, ließ ihm Wein vorsetzen und überzeugte sich immer mehr, dass die vor ihm befindliche Person nicht dem armen Lehrerstande, sondern einer viel höhern Region angehören müsse. Endlich rückte er nach und nach mit der Sprache mehr heraus und bemerkte:

            Ein armer Schulmeister sind Sie? - das will mir nicht recht in den Kopf.

            Lieschen errötete schüchtern und schwieg.

            Ei nun, fuhr der Edelmann fort, man hat Beispiele von Exempeln, dass unter schlechten Kleidern oft sehr hohe Personen verborgen sind. Was sagen Sie dazu?

            Die Angeredete schwieg noch immer, wurde verlegen und errötete sichtbarer.

            Der Herr Oberfischmeister dachte dabei: Glücklich erraten! Er ist's und niemand anders! - ergriff seinen Gast bei der Hand und sprach devot und wohlmeinend:

            Ehrwürdige Königliche Hoheit geruhen -

            Lieschen horchte hoch auf. -

            Ehrwürdige Königliche Hoheit wollen geruhen - verstellen Sie sich nur nicht länger vor Ehrwürdiger Königlicher Hoheit ergebenem und dienstwilligem Knecht - Sie sind's - unser vielgeliebter Kronprinz. -

            Sie irren sich - gnädiger Herr - ich bin -

            Ach, ich müsste nicht in Dresden gewesen sein - habe Sie früher gesehen am Hofe, - waren damals noch ein Junkerchen von 11 - 12 Jahren - auf Ehre! - mein Kronprinz - Königliche Hoheit -

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