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beide Brüder erzählten einander viel von der Vergangenheit; sprachen von den günstigen Gelegenheiten, glückliche Geschäfte zu machen, und somit hatte Traugott seine Bitte vorbereitet, die darauf hinauslief, dass Gottfried ihm einige Tausend Taler leihen möchte, da er vorteilhaft Käufe abschließen könnte.

            Gottfried hätte vielleicht gern die Bitte seines Bruders erfüllt, denn er wusste, dass er ehrlich an ihm handeln würde, wenn er nicht seinem Sohn das Geld zugedacht hätte, damit derselbe sich später ein weit größeres Gut kaufen könnte.

            "Pfui, schäme dich," sagte Traugott etwas verächtlich, - "Du willst den Geizhals spielen! Hast du keine Bruderliebe im Herzen?"

            "Tue mir nicht unrecht," - versetzte Gottfried. Kann Deine Handelslust nicht einmal eine tüchtige Ohrfeige bekommen, und wer ist dann der geschlagene Mann?" -

            "Meinst du, ich könnte unbedächtig handeln!" entgegnete der Bruder; "Was ich mit meinem kalten Verstande berechne, muss gelingen; aber dich frisst der Geiz auf, du verkrüppelst an der Bruderliebe." -

            "Still, Bruder" - versetzte der Gekränkte, - "wir sind sonst auf ewig geschiedene Leute. Bedenke, ich habe einen Sohn, du aber stehst ledig da, - wenn Du nichts hinterlässt, kräht kein Hahn darüber. Was muss ich als redlicher Vater und Mensch tun? Ich muss meinem Sohne das Leben so angenehm, so leicht wie möglich machen, - denn das ist ein jeder Mensch dem andern schuldig, ohne sich um Dankbarkeit zu bekümmern; also stehe ab von Deinem Verlangen."

            Traugott tat, als wenn er sich zufrieden gäbe, langte nach einem Stück Kuchen, bestrich es mit Butter und verzehrte es.

            Als der Tag des Kirchweihfestes vorüber war, fuhr der Vater deinen Sohn, der ihn besucht hatte, eine Stunde weit nach seinem jetzigen Aufenthaltsorte Schellenberg; die Mutter gab natürlich ihren Sohne das Geleit, und auch Traugott verabschiedete sich so freundlich wie es ihm nur möglich war.

            Der wagen konnte ungefähr eine halbe Stunde weit von Reichenhain entfernt sein, als der mit seiner Bitte abgewiesene Bruder eiligst zurückkehrte, sich in das Haus schlich und sich an das wohlverschlossene Schreibepult setzte, um es zu erbrechen. Dies gelang. Die Kasten wurden durchsucht, das Gewünschte ward gefunden und eingesteckt, und in kaum einer Stunde war Traugott nach Chemnitz geeilt, wo er eine Fahrgelegenheit nach Dresden benutzte, um so schnell als möglich den etwaigen Verfolgungen zu entgehen.

            Welchen Schreck für Gottfried als er zu hause kam und sich seines Geldes beraubt sah. Der Täter war ihm bekannt, aber

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