< zurückblättern Inhalt vorblättern >

            Herr Pastor Merkel schreibt:

 

Kriegsszenen aus dem Jahre 1813.

 

            Es ist eine eben so wahre, als oft gemachte Bemerkung, dass uns die Gewohnheit gegen die schätzbarsten Güter des Lebens gleichgültig macht, oder doch uns ihren Wert bei weitem nicht so würdigen lässt, als er geschätzt zu werden verdient. Der lange Besitz eines gewissen Lebensglücks lässt uns das Gegenteil oft nicht einmal ahnen, geschweige denn in dem Grade als möglich denken, als man es hernach in der vollen Wirklichkeit erfährt.

            Zwar war ich noch im letzten Winter des Siebenjährigen Krieges, von gutmütigen Preußen, die auf der Pfarrwohnung zu Großdalzig, bei Leipzig, in reichlicher Zahl einquartieret waren, viele Wochen hindurch, zum Zeitvertreib gewieget und gewartet, aber doch im Schoße des Friedens erzogen worden und in das wirksame Leben eingetreten. Aber wie alle meine Zeitgenossen, die nur friedliche Geschäfte trieben, kannte ich die Schrecken und Verheerungen des Krieges doch nur aus der Geschichte, oder aus den Erzählungen von Augenzeugen. Schon mehrere Jahre war ich hier angestellt, als ich die Vorbereitungen sahe; die unter dem Herzog von Braunschweig, zum Kriege gegen das damals unter sich entzweite Frankreich gemacht wurden. Schon fing ich an, mich der Früchte einer Staat zu freuen, welche alle Hoffnungen machten, unter den Segnungen des Friedens immer mehr zu gedeihen, als die Schrecken eines verderblichen Krieges auch mein Herz erschütterten, und mich das, was ich, in meiner Lage, Anfangs nicht geglaubt hätte, in bitterer Erfahrung empfinden ließen. Nie hätte ich vermutet, dass ich zu den Predigern gehören würde, welche in Sachsen durch den Krieg am meisten gelitten haben. Nie hätte ich geglaubt oder mir eingebildet, dass ich zu Geschäften mich würde brauchen lassen müssen, die mir ganz fremd waren, wie teils die Geschäfte eines Richters, teils das Botenlaufen, und noch weniger verstand, wie die Herstellung einer zerstörten Brücke über die Flöhe, welche mir am 8. Oktober 1813 binnen 12 Nachtstunden, zu bewirken, durch eine zugleich eingelegte Exekution von 30 aufgeben wurde. Am allerwenigsten hätte ich mir vorgestellt, solche bangen Stunden zu erleben, als diejenigen waren, da beide streitende Teile, Österreicher und Franzosen, zugleich sich auf dem Pfarrgute befanden, beide Teile Verpflegung verlangten, und doch kein Teil erfahren durfte, dass der Wille des Andern erfüllet wurde.

            Aber wie im Unglücke immer auch Glück ist; so habe ich

213

< zurückblättern Inhalt vorblättern >