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            Das Regiment war versammelt. Ein Teil marschierte davon ab, um, wie man bald bemerkte, den Geflüchteten nachzusetzen, der andere Teil blieb auf dem Markte unter Gewehr stehen. Mit Wehmut sahen die Bewohner von Chemnitz die Verfolger ihren Landsleuten nachsetzen. Sie ahnten nichts Gutes von der nacheilenden Übermacht, und so schwebte einige Stunden lang die ganze Stadt, vom Greise bis zum Knaben herab, in der höchsten Spannung. Gegen Mittag erst sah man in der Strasse Staubwolken aufsteigen, und hörte die Trommeln näher heran wirbeln.

            Es waren die zurückkehrenden Preußen, in ihrer Mitte - denke dir den betrübenden Anblick für alle fühlenden Sachsen - brachten sie die Armen, mit Stricken geknebelt, mancher aus mehr als einer unverbundenen Wunde blutend - auch, auch unser Rochlitzer, mit Blut und Staub bedeckt, mit bleichen Gesichtszügen und schlotternden Knien, und mit Flintenkolben fortgestoßen, und an Stricken fortgeschleppt, als fortgeführt. Ich sahe es - auch! ich hatte den Mann so lieb

 

- und zahllosen Tränen liefen mir über das Gesicht herab. Nun hatte ich genug gesehen und eilte schluchzend nach Hause.

            Was hierauf geschah, kann sich Niemand denken. Alle Staatsgefängnisse waren mit den Unglücklichen angefüllt, wo man sie denn manche Woche schmachten lies, teils mit Heilen der Verwundeten beschäftigt, teils mit der strengsten Untersuchung der Verschwörung. Ein elender Verräter unter den gefangenen Sachsen hatte auch das Kennzeichen verraten, und so wurde alsbald noch eine Menge anderer Sachsen, die jenen Morgen nicht mit ausgerückt waren, gefänglich eingezogen, alle erkenntlich an dem Kreuze am Knopfe.

            Die Untersuchung neigte sich zu Ende zu. Täglich sahen wir denn, wenn wir Knaben zur Schule gingen, unbarmherzige Stockschläge und Spießruten die Rücken unserer armen Landsleute zerfleischen. Aber so sehr mein Vater forschte, nirgends konnte er erfahren, was aus unserem unglücklichen Rochlitzer geworden wäre, oder noch werden sollte. Ob er wohl - fragten wir zu Hause oft - an seinen vielen Wunden den gestorben ist? Nein, er war bald völlig wieder geheilt. - Dies wenigstens erfuhr mein Vater von einem Feldscher. Ach, uns bangte um ihn. Er war uns gar so lieb geworden wie ein teures Familienmitglied.

            Es war ein kalter, aber sonnenheller Märzmorgen - ohngefähr 4 Wochen nach jener Begebenheit. Ich stand vor unserem Hause in der Vorstadt und wunderte mich nicht wenig, als ich sahe, dass heute das Tor noch geschlossen war, welches

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