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Einem zuhörten, der eben den neu angelangten Reichsanzeigers vorlas. Aus aller Herren Länder, auch vom Kriegsschauplatze ward so manches berichtet. Da stockte plötzlich der Vorleser, weil der mit großen Buchstaben geruckte Artikel, der nun folgte, in französischer Sprache abgefasst sei, und französisch verstehe er nicht. Desto gespannter war aller Sinn aber auf diesen Abschnitt. Aber trotz mehrmaligem lauten Befragen aller Anwesenden fand sich kein Dolmetscher. Freilich war damals noch nicht die Zeit reif, in welcher französischer Emigranten und französische Herren in jedes Krähwinkel ihr pfeifendes Nasengeplärre einschmuggelten, und das Verständnis dieser Sprache war nur das unbeneidete Eigentum höchst einzelner Gelehrten oder gereister Leute. Da trat der Rochlitzer an den Tisch heran und bat sich den Reichs-Anzeiger aus. Ja dieser, der gelehrte Rochlitzer, sei gewiss im Stande ihnen Schrifterklärer zu sein, dies war Aller Glaube und Äußerung. Der sei heute wie ein Deux ex merchiner ihnen Allen gekommen, und die ganze Versammlung hing an seinen Lippen. Er durchflog erst die französische Zeilen, ehe er laut las, für sich; hohe Purpurröte überflog im Augenblicke sein Gesicht. - Kameraden! rief er, hört hört! räusperte sich und las.

            Es war eine Bekanntmachung der österreichischen Kaiserin, in welcher Preußens König von derselben Kraft ihrer deutschen Kaiserwürde in die Acht erklärt wurde. Wahrscheinlich war dieses kaiserliche Schreiben zu dem Endzweck französisch abgedruckt worden, um seinen gewichtigen und bedenklichen Inhalt dem Volke so viel wie möglich zu verheimlichen.

            Der Rochlitzer hat geendet. Noch band aller Zungen wortlose Verwunderung. Ein Scharfblick über die Versammlung hin zeigte ihm in Aller Mienen den Eindruck, welchen das Vorgelesene auf seine Kameraden gemacht habe. Der Gedanke durchzuckte ihn: Wie, wenn vielleicht dieser Umstand geeignet wäre, deine unentschlossenen sächsischen Leidensgefährten zum schnellen Abfall von dem preußischen Regimente zu bewegen? Er wollte den letzten gewagten Versuch machen. Ein zweiter Scharfblick überzeugte ihn, dass kein verdächtiger, zweideutiger Verräter im Zimmer sei, und indem er immer noch den Reichs-Anzeiger in der Hand hielt, sprach er mit anfangs gemäßigter, gegen das Ende aber immer begeisterter Stimme:

            Kameraden! Habt ihr auch alle das Todesurteil der preußischen Zwingherrschaft vernommen? Bedeckt wohl, was diese Worte der Ächtung bedeuten! Friedrich ist für vogelfrei erklärt, verwiesen von Land und Leuten. Jede Kugel aus den Reihen seiner eigenen Soldaten kann ihm den Garaus machen,

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