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überhörte Fingerling, dass eine, wie vom Himmel herniedertönende Musik begann, in welche später ein Chor von Engelstimmen einfiel. Desto andächtiger horchten die beiden Geschwister auf dieselbe. Plötzlich stieß der Hofmann seinen Freund gelinde zwischen die Rippen, eilig ihm zuflüsternd: „Schau, Fingerling! Dort oben neben dem Hochaltare - das ist unser allergnädigster Herr und König samt seiner Frau Gemahlin.“ Hastig blickte Fingerling auf. Der Höhe und Entfernung ungeachtet erkannte er in der königlichen Kirchenloge einen frisierten und gepuderten Herrn von beinahe sechzig Jahren. Ein goldener Stern funkelte auf dem reich gestickten Rocke, den ein warmes Oberkleid umgab. Er hielt ein kleines Buch in den Händen, in welchem er andächtig zu lesen schien. Dieser Mann war August III., König von Polen und Kurfürst von Sachsen.

            „Seht, meine Kinder, seht!“ Sprach Fingerling zu Gottlob und Sibylle, „dort oben unsern gnädigen Landesvater! Betrachtet ihn recht genau; denn vielleicht in eurem ganzen Leben seht ihr ihn-“

            „Ruhe da!“ Herrschte ein Kirchendiener mit langem Stabe den Sprecher an, welcher betroffen schwieg und furchtsam den scheltenden Mund anstierte, „hier wird nicht geschwatzt, zumal der höchsten Majestät gegenüber. Noch ein lautes Wort und Ihr wandert auf die Straße hinaus.“

            Ängstlich blickte Fingerling - blickten die Kinder auf ihren Beschützer hin. Allein dieser, in dem Kirchendiener einen höher denn er gestellten Höfling erkennend, tat seinen Mund nicht auf und winkte nur mit

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