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mit mir nach Rechtens verfahren, sähe es schlimm um mich aus. Dazu ist das Mädel meines seligen Bruders Kind, der sie mir sterbend auf die Seele gebunden hat. Darum muss ich schon Geduld mit ihr haben.“

            Hier schlug Sibylle ihre Augen hell auf, wollte sie aber sofort wieder schließen, da sie ihren Oheim neben sich erblickte. Doch dieser sprach mit sanftem Stimme, indem er väterlich seine Hand auf diejenige Sibyllens legte: „Du bist munter, meine Tochter? Ich auch und zwar deinetwegen. Dein Schicksal geht mir im Kopfe herum und lässt mich nicht schlafen. Höre mich einmal aufmerksam an. Ich meine es wahrhaftig gut mit dir. Jeder Dieb stiehlt in der Absicht, sich glücklicher zu machen und bessere Tage zu haben. Aber sie machen sich nur dadurch unglücklich und Schande, werden von den Menschen gehasst, verachtet und geflohen, kommen um ihren guten Namen, um ihre Nahrung, in das Zuchthaus, wohl gar an den Galgen. Das kannst du an dir ersehen. Wie kurze Zeit besaßest du das gestohlene Gut, und wie lange wirst du die bösen Folgen davon verspüren! Nur ehrlich währt am längsten. Jetzt ruhest du in deinem weichen Bette und unter einem sichern Dache. Aber vorige Nacht hat dein böses Gewissen dich umherirren lassen, und wer weiß, wie elend und gefahrvoll dein Lager gewesen ist? Wo warst, wo bliebst du in voriger Nacht?“

            Erst wollte Sibylle nicht mit der Sprache heraus; allein auf die Dauer konnte sie doch Fingerlings beweglichem Drängen nicht widerstehen. Daher erzählte

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